Wir stehen etwas früher auf als uns lieb ist, aber die Gastgeberin muss um 9 Uhr zum Arzt und hat darum gebeten, dass wir vorher schon fertig mit Frühstücken sind. Das Wetter ist heute leider nicht mehr so schön, der Himmel ist vollständig mit Wolken verhangen und besonders warm ist es auch nicht. Aber egal, wir brechen auf um zu dem Campingplatz in Sligachan zu fahren und dort die Route von Danny MacAskills letztem Video “The Ridge” zu bestreiten. Wir sind gespannt was uns erwartet. Auf einem Parkplatz für Wanderer parken wir und ich kopiere noch den GPX Track auf mein Garmin, wie ich es am vorigen Abend gelesen habe und es funktioniert, es zeigt die Strecke an. Während des Umziehens bereiten wir uns mental auf die 45km der Route vor. Da diese nur 650 Hm haben sollen sind wir zuversichtlich, dass wir das schaffen.
Die Tour beginnt zunächst mit einer Menge Straße, bis uns das Navi auf einen kaum erkennbaren Weg den Berg hinab lotst. Es ist etwas sumpfig und Stefan fährt etwas zu weit, da aus dem mit Heidekraut dicht bewachsenen Gebiet kein Weg auszumachen ist. Also fahren wir und schieben wir halb querfeldein, bis schließlich das Navi uns wieder auf der vorgegebenen Linie sieht. Es folgt so etwas wie eine Abfahrt, allerdings lassen uns die dicken Steine, Rinnen und Sträucher ordentlich Vorsicht walten. Wieder rollt Stefan etwas zu weit - wir hätten über die ebenfalls kaum erkennbare Brücke gemusst. Nach ein paar hundert Metern erreichen wir wieder die Straße und ich hoffe, dass der Rest der Tour leichter zu befahren ist. Ich hatte schon so eine böse Vorahnung…
Etwas weiter die Straße entlang gelangen wir an eine Bucht auf deren Parkplatz einige Leute mit dicken Objektiven an ihren Kameras stehen. Wir halten an und schauen etwas planlos auf das Meer hinab, bis uns eine Dame auf etwas im Wasser hinweist: In der Bucht tummeln sich drei kleine Wale und Walhaie, von denen wir leider fast ausschließlich die Rückenflosse zu sehen bekommen. Schließlich entscheiden wir, dass es spannender nicht mehr wird und brechen wieder auf. Kurz vor Luib geht es zum Glück auf einen Feldweg, so dass wir die recht stark befahrene Straße hinter uns lassen können. Wir gelangen an ein Tor, durch das wir uns auf eine Schafweide schleusen. Wir schlagen zunächst den falschen Weg ein, aber zum Glück weist uns das Navi darauf hin, so dass wir die Richtung schnell korrigieren können. Allerdings wartet dort ein Schafbock mit eindrucksvollen Hörnern auf uns, der aber zum Glück nicht angriffslustig ist. Um die Ecke, auf der anderen Seite des Hügels, entdecken wir ein totes Schaf, von dem nur noch Knochen und Wolle übrig sind und fragen uns, von wem oder was es wohl erlegt wurde?
Der weitere Weg ist ein schmaler, scheinbar nie enden wollender Singletrack. An vielen Stellen müssen wir sehr sumpfige Abschnitte überqueren. Ich frage mich, ob man durch einige Abschnitte nicht auch einfach durchfahren kann. Leider kann man durch das brackige Wasser nicht erkennen, wie tief es ist und einmal verschwindet mein Vorderrad bis zur Hälfte, was ich schließlich als “Nein, Du kannst hier nicht fahren” interpretiere. Wir kämpfen uns weiter den Weg entlang, tragen unsere Bikes, benutzen unsere Bikes als Trittmöglichkeit, um über breite Stellen zu gelangen. Die Brücke über meinem Hinterrad ist mehrfach voller Gras und schlamm. Zwar gibt es hier keine Höhenmeter, aber das Durchschlagen ist extrem anstrengend. Dafür entschädigt die Natur. Wir befinden uns in einem Tal, links und rechts gibt es hohe Berge, ein paar Meter weiter rauscht ein kleiner Fluss vor sich hin und wir haben das Gefühl über Kilometer die einzigen Menschen weit und breit zu sein. Was wahrscheinlich auch stimmt.
An einer Stelle fahren wir wieder zu weit, so dass wir den besagten Fluss überqueren müssen. Zwar habe ich vorher auch keine Brücke gesehen, aber an der aktuellen Stelle ist es wieder sehr matschig. Über das geschickte platzieren von dicken Steinen gelingt es uns einigermaßen trocken auf die andere Seite zu gelangen. Allerdings stehen wir nun vor einem Sumpf, der ebenfalls zwischen uns und dem angedachten Weg liegt und vorher nicht erkennbar war. Wir entscheiden uns dieses Mal die Bikes rüber zu reichen und unsere Weitsprung-Skills zu testen - es funktioniert. Schließlich finden wir den Weg wieder und das Spiel aus engen Rinnen, viel Sumpf und teilweise steilen verblockten Anstiegen geht weiter. Irgendwann wird das Tal breiter und wir sind wieder fast an einer Straße angekommen, als Stefan noch einmal den Fluss überquert, dieses Mal aber auf dem Bike. Das Ufer ist hier so flach, dass dies kein Problem darstellt. Ich will ein bisschen weiter unten einen Überquerungsversuch wagen, was nicht so recht gelingt. Die großen Steinplatten im Wasser sind rutschig und ich muss anhalten. Zum Glück gibt es hier einen Stein oberhalb der Wasseroberfläche, auf dem ich meinen Fuß abstellen kann. Stefan ruft mir zu: “Da hast Du aber nochmal Glück gehabt!” Ich fahre weiter, rutsche aber erneut weg und stehe mit dem linken Fuß komplett im Wasser - wir lachen.
Immerhin sind wir jetzt an einer Straße angekommen, so dass die folgende Steigung verspricht nicht all zu anstrengend zu werden. Dennoch laden wir unsere Akkus mit einer kleinen Pause und ein paar Riegeln wieder auf. Wir fahren die Straße weiter hoch, wieder ein Stück hinunter. Da es sich um einen Singletrack handelt entstehen teilweise spannende Situationen, als uns ein LKW entgegen kommt und auch ein PKW überholen möchte. Vor dem nächsten Asphalt-Anstieg führt uns das Navi wieder durch ein Gatter und wir gelangen auf einen recht breiten Feldweg. Es folgen einige sehr steile Passagen mit dicken Brocken und losem Geröll, so dass wir öfter absteigen und schieben müssen. Oben angekommen legen wir mal wieder eine Fotosession ein. Hier gibt es auch tatsächlich ein paar Menschen und eine Dame bietet sich an Fotos von uns zu machen, die aber allesamt nichts werden…
Es folgt eine Abfahrt über den breiten Weg und nach wie vor sehr dicke Steine. Ich traue mich kaum schnell zu fahren und muss teilweise anhalten. Stefan scheint weniger Probleme zu haben, jedenfalls ist er schon lange unten und hat bereits sein Smartphone für mehr Fotos gezückt, als ich schließlich auch unbeschadet ankomme. Auch hier ist die Landschaft wieder phänomenal. Wir befinden uns nun auf einer Ebene, die von dem Berg, den wir herunterkommen sind, dem Meer und weiteren Bergen abgegrenzt wird. Mittendrin steht die Ruine von einem alten Haus, auf dessen zerfallene Wand groß und weiß “Sligachan” und ein Pfeil gepinselt wurde. Dieser führt zwar scheinbar ins Nichts, aber mein Navi ist auch der Meinung, dass wir diesen Weg einschlagen sollen, was wir schließlich auch machen. Kurz darauf lässt sich wieder ein Weg erkennen, der sich als relativ schöner und ebener Singletrail entpuppt. Es gibt teilweise technische Stellen, steile Passagen und dicke Steine. Stellenweise gibt es sogar ein paar Felsplatten á la MacMoab, nur kleiner und ich schaffe zwei Passagen, an denen Stefan absteigen muss! Die unzähligen Stellen, an denen er allerdings einfach weiter gefahren ist und ich anhalten musste, unterschlage ich hier einfach. ;-) Immer wieder überqueren wir kleine Bäche. Von der Distanz und den Höhenmetern her müssten wir eigentlich bald wieder zurück sein, so dass ich mehrfach sage “Das muss der letzte Anstieg sein”. Nach dem ich diesen Satz das dritte Mal von mir gegeben habe lasse ich es einfach bleiben. Wir begegnen immer mehr Wanderern (sieben) und einem Jogger und fragen uns schon bei wem wir uns beschweren müssen, weil so viel los ist. Wir haben Einsamkeit gebucht! Es macht sich das Gefühl breit, dass dieser Trail niemals endet und wir sind mit unseren Kräften völlig am Ende, als wir endlich am Auto ankommen. Mit dem restlichen Hafer-Schoko-Drink, einer Flasche Orangensaft und ein paar Stücken Shortbread gelangen wir wieder einigermaßen zu Kräften. Duschen können wir allerdings vorerst nicht.
Wir fahren weiter nach Portree um ein B&B oder Hostel zu suchen. Allerdings ist das Hostel voll und in Portree sind sehr viele Touristen. Auch die B&Bs sind alle ausgebucht. Nach 1 1/2 Stunden Suche sind wir schon fast verzweifelt und es ist bereits nach 21 Uhr, als wir in Uig endlich ein B&B bekommen, das uns das örtliche Hotel (das ebenfalls ausgebucht ist) per Telefon klargemacht hat. Zwar hat das Zimmer nur ein Doppelbett, aber auch das ist uns wurscht, hauptsache wir haben ein Dach über dem Kopf. Völlig entkräftet bin ich kaum im Stande einen klaren Gedanken zu fassen und so vergesse ich die Hälfte der Klamotten, als ich zum Duschen gehe. Stefan fragt beim Pub gegenüber ob wir noch etwas zu Essen bekommen - Fehlanzeige. Schließlich diskutieren wir ob wir noch einmal nach Portree fahren, um dort etwas zu essen. Ich habe mich schon mit Müsli abgefunden, aber Stefan setzt sich durch und wir können tatsächlich noch bei einem Inder einkehren. Später beim B&B angekommen fallen wir nur noch ins Bett.