Fort William

Auf den Spuren der Pros

Veröffentlicht am 14. Juni 2015

Wow, ich habe mal wundervoll geschlafen. Endlich wieder ein richtiges Bett. Da die Dusche Gott ist, nehmen wir die noch mit, bevor wir fast pünktlich durch die Küche schleichen und im Frühstücksraum ankommen. Es läuft BBC One, ein ziemlich guter Rock-Sender. Ist mir definitv lieber als Opern-Musik. Das Frühstück ist so lecker, dass ich zu viel esse und meine Hose etwas spannt.

Nachdem wir alles zusammen gepackt haben fahren wir zur Nevis Range bei Fort William, wo letzte Woche der Downhill Worldcup stattgefunden hat. Das Wetter meint es wieder richtig gut mit uns - blauer Himmer, ein paar kleine Wölkchen und etwa 20°C entsprechen optimalen Bike-Bedingungen. Wir machen uns zunächst mit der Lokalität vertraut, Stefan quatscht ein paar Leute an und sammelt Informationen welche Kleidung wohl am ehesten angemessen ist - Protektoren und Fullface-Helm oder reicht unsere normale Ausrüstung mit Knieschonern und Halbschalenhelm? Ich wechsle derweil die Richtung meines Mantels am Hinterrad, den ich zu Hause offensichtlich verkehrtherum aufgezogen habe. Kein Wunder, dass die Touren so anstrengend waren. ;-)

Wir entscheiden uns zunächst für normale Bike Kleidung und Knieschoner, wie auch die letzten Tage, da wir zunächst eine der roten Touren abklappern wollen. Diese besteht aus ca. 8km Singeltrack und fängt mit einem recht ordentlichen Aufstieg an. Wir überqueren eine Brücke mit riesigen Brocken im Fluss darunter, bevor der Weg sich wieder ziemlich steil den Weg hochwindet. Wir kämpfen und schaffen es ohne abszusteigen. Wir nehmen die Extra-Schleife für einen schwarzen Teil mit, der auch ganz lustig ist, die schwarze Wertung aber nicht verdient - da haben wir schon wildere Sachen gesehen. Es geht runter in ein paar Serpentinen mit teilweise hohen Anliegern und kleinen Sprüngen. Schön flowig. Wir überqueren die Auffahrt und gelangen in eine etwas technischere Passage, die immer mal wieder ein wenig Flow mit sich bringt. Die Rückfahrt zum Parkplatz ist eher so lala, ganz ok zum ausklingen. Am Ende der Route vermissen wir etwas die Beschilderung, so dass wir mehr oder weniger aufgeben und einfach wieder zur Station radeln. Viel zu holen gab es vermutlich aber eh nicht mehr.

Wir überlegen, ob wir schon was essen sollen, aber das Frühstück versorgt uns noch mit Energie. Also nehmen wir noch die zweite rote Tour mit, die “10 under the Ben” heißt. Ich meine gelesen zu haben, dass die 10 für die Anzahl Kilometer steht, aber es waren doch 10 Meilen, wie sich später herausstellen soll. Insgesamt handelt es sich dabei um eine eher flache und schnelle Strecke mit ein paar Northshore Elementen im Uphill am Anfang und eine kleinere steile Passage. Die rote Einstufung kommt wohl eher von der Anforderung an die Kondition und weniger von dem benötigten technischen Können. An einem langen Single-Trail, der minimal bergab geht fährt mir Stefan weit davon, da ich die Kilometer doch langsam spüre und keine Lust auf Trampeln habe. Dafür meint Stefan am nächsten Uphill, dass er sein Dauertreten jetzt auch merkt, so dass ich es tatsächlich schaffe ein wenig vor ihm (!) den Anstieg hoch zu kurbeln.

Wir gelangen oberhalb von der Lift-Station an eine Parallele zum Hang, an denen unsere Strecke den Downhill-Kurs, als auch die rote “XC Extreme” Abfahrt kreuzt. Da unsere Pfeile geradeaus zeigen, lassen wir uns zunächst davon nicht beeindrucken gelangen wieder an die Brücke mit den Dicken Steinen im Bach darunter. Schließlich kommt endlich eine schöne Abfahrt, an der wir einen Anlieger mit Northshore-Elementen verpassen, so dass wir wieder hoch schieben und das Ganze nochmal versuchen. Schließlich gelangen wir zu der “Nessie” Passage, die auf dem Plan als “schwarz” markiert wurde. Hier trifft es definitiv zu, über dicke Stufen bahnt man sich den Weg in eine sehr steile Steinsektion. Ich traue mich, bremse aber zu stark mit dem Hinterrad, so dass ich mehr hinunter rutsche, als fahre. Beim zweiten Mal würde ich es anders machen, aber ich bin zu faul noch einmal hoch zu schieben und so geil bin ich auf den Adrenalinkick nun auch nicht. Stefan, der versehentlich den falschen Weg genommen hat, schiebt aber hoch und fährt den richtigen Abschnitt deutlich eleganter als ich das gemacht habe. Auf dem Rückweg zum Parkplatz begegnen wir noch einmal einem recht langen Northshore Uphill, der so spaßig ist, dass Stefan auf den ersten paar Metern anhält und zurück fährt, um das auf der GoPro festzuhalten. Der Rest der Strecke deckt sich ziemlich mit der ersten roten Tour. Wir fahren gemütlich über Schotter und gelangen schließlich wieder zum Parkplatz. Ich entdecke noch einen Pfeil, der durch eine Röhre unter dem DH Auslauf führt, allerdings ist dann unklar, woher der Weg weiter gehen soll. Stefan findet heraus, dass es einfach über die Straße zum Startpunkt zurück geht, so dass wir beschließen eine der vielen anderen Routen zurück zur Station zu nehmen.

Wir essen draußen und schauen erstaunt und erfreut den Kiddies zu, die teilweise mit Laufrädern den Übungsparkour absolvieren. Aber wie: die normalen Übungen sind ihnen zu langweilig, so dass sie teilweise einfach von dem großen Hügel am Ende herunter springen. Mutig, mutig! Schließlich füllen wir die Erklärung aus, dass wir uns wirklich auf die rote “XC Extreme Strecke” trauen wollen und jegliche Verantwortung abgeben. Wir nehmen die Gondel nach oben, wobei die Bikes am Sattel eingehängt werden - und das bei meiner etwas kaputten Reverb. Ob das gut geht? Mein Sattel fährt sich durch den Zug darauf vollständig aus, aber bleibt dann so hängen. Allerdings neigt sich Stefans Bike immer mehr zur Seite, so dass ich immer mehr Angst bekomme es könnte sich verabschieden (und meins mitreißen). Stefan ist wie immer relaxed und meint, dass es nicht fallen kann. Ob er Recht hat weiß ich nicht, aber dieses Mal ist es gut gegangen. Von der Gondel aus haben wir einen guten Blick über die DH-Strecke, die schon recht eindrucksvoll aussieht, auch wenn Stefan sicher ist, dass wir nach dem Blackwater Trail alles schaffen. Oben angekommen spricht uns ein Inder an, ob er Fotos mit uns machen kann. Wir willigen ein und werden indische Foto-Models. Schon sehr lustig irgendwie. Wir schauen noch beim Start der DH-Strecke rein, bevor wir noch ein wenig hochkurbeln um zum Start der roten Line zu kommen.

Es geht los mit schon recht ruppigem Gelände und vor allem extrem vielen Northshores mit teilweise engen Kurven. Daneben geht es direkt steil runter, so dass ich ziemlich Angst habe und mich kaum traue schnell durch die Kurven zu rasen oder die eingebauten Sprünge richtig mitzunehmen. Irgendwann ist der Northshore-Teil zu Ende und die dicken Felsen kommen. Mir bleibt nichts anderes übrig als über verschiedene Stufen zu springen, weil ich sonst garantiert hängen geblieben wäre. Es kommt mir so vor, als hätte jemand MacMoab auf den Berg geflogen. Wir machen eine Pause um das Angst-Pipi loszuwerden. Wow, schon fast 5 Minuten unterwegs und 250Hm auf 1,5km abgerissen. Ein paar Jungs, die wir oben schon beim Start gesehen haben, fahren an uns vorbei. Wir warten kurz und fahren hinterher. Als wir merken, dass wir sie einholen, halten wir noch einmal an und machen eine Foto-Session um das unglaubliche Panorama festzuhalten. Stefan ist beeindruckt, dass ich den Trail bis zu dieser Stelle mit meinem Bike (150mm vorne, 140mm hinten) so gut hinbekomme. Ich weiß nicht, ob das wirklich eine tolle Leistung ist, ich bin einfach nur glücklich mich nicht hingelegt zu haben. Wir stürzen uns weiter in die Tiefe und schlängeln uns den Berg hinunter. An der letzten Stufe erwischt es mich doch - sie ist einfach zu tief und ich zu langsam. Ich bleibe mit dem großen Kettenblatt hängen und fliege über den Lenker. Stefan fährt vor mir und ich schreie noch im Liegen “Stop!”, realisiere, dass mir nicht viel passiert ist und stehe schnell auf, damit Stefan keine Panik bekommt. Außerdem liege ich in einem kleinen Rinnsal, so dass meine Klamotten langsam nass werden. Nach kurzer Überprüfung meiner Körperfunktionen stelle ich fest, dass ich mir wirklich nichts großes getan habe: Schürfwunden an den Händen, dem linken Knie und der rechten Schulter, zwei Löcher in den Waden, wahrscheinlich von den Pedalen und eine nasse rechte Seite. Leider hat sich Stefan doch so sehr erschreckt, dass er sein gutes Liteville kurzerhand in die Büsche geworfen hat, so dass eines der Tauchrohre jetzt einen Kratzer hat… Nach ein paar Minuten Runterkommen fahren wir weiter. Es folgen noch einige schöne, flowige Passagen, allerdings bin ich gerade etwas vorsichtig und lasses etwas ruhiger als sonst angehen. An der Stelle, an der wir diese Line gekreuzt haben wissen wir plötzlich nicht mehr genau wo wir hin müssen. Die Beschilderung lässt leider auch hier etwas zu wünschen übrig, so dass wir an einer anderen Stelle am Ende des Parkplatzes heraus kommen, als wir vermutet hatten.

Schließlich packen wir alles zusammen und Stefan gibt mir noch 1.000x Kudos für meinen Höllenritt und ärgert sich, dass er mich nicht gewarnt hat. Ich versuche ihn zu beschwichtigen, dass es nun wirklich nicht sein Fehler war und nach einiger Zeit fahren wir los. Das Ziel der Reise dieses Mal: Skye. Wir kommen wieder an absolut faszinierenden und wunderschönen Landschaften vorbei, wobei an einem Parkplatz jede Menge kleine Steintürmchen aufgeschichtet wurden. Wir legen mehrfach Pause ein um Fotos zu schießen, so dass wir gut 45 Minuten später die Brücke nach Skye überqueren, als das Navi ursprünglich ausgerechnet hat. Wir beschließen spontan in dem Örtchen direkt hinter der Brücke auf Skye zu bleiben (Kyleakin) und suchen uns ein B&B. Wir verschieben das Duschen, um das Licht des nach wie vor traumhaften Wetters auszunutzen und machen noch ordentlich viele Fotos, bevor wir im gegenüber vom B&B gelegenen Restaurant einkehren. Kaum sitzen wir stelle ich fest: Ich habe nur ein Sport-Unterhemd an… Achievement unlocked - gehe im Unterhemd ins Restaurant! Stefan meint aber, dass es nicht auffällt, immerhin hat es Ärmel und ein paar Beschriftungen. Trotzdem, so ganz wohl fühle ich mich nicht in meiner Haut.

Stefan lädt noch im freien WLAN des Gasthauses den Track für die morgige Tour aus dem Internet und ich erforsche, wie man diesen auf das Garmin bekommt. Wir freuen uns erneut über einen gelungenen Tag bei bestem Wetter, und bezahlen irgendwann. Wir holen noch unsere Sachen aus dem Auto, gehen auf unser Zimmer und feiern unsere allabendliche Technikorgie.


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