Die ganze Nacht verbringe ich mehr oder wenig im Halbschlaf. Das Rumpeln vom Motor dröhnt bis zu unserer Kabine herauf. Ich beneide Stefan um seinen tiefen Schlaf und die Fähigkeit scheinbar überall innerhalb weniger Minuten einzuschlafen. Wirklich geweckt werden wir durch eine ziemlich laute Lautsprecherdurchsage, dass wir jetzt Englische Ortszeit haben und das Frühstück serviert ist. Wir bleiben noch was liegen, aber die Lautsprecherdurchsagen gehen erbarmungslos weiter, so dass an Schlaf nicht mehr zu denken ist. Also machen wir uns fertig, packen unsere Sachen und verlassen unsere Kabine. Jetzt können wir auch die Durchsagen verstehen, die sagten, dass man sich bitte nicht im Eingangsbereich von Deck 7 aufhalten soll - überall sitzen, stehen oder liegen Menschen herum. Wir gesellen uns nicht dazu, sondern gehen aufs Deck, wo uns direkt eine ziemlich steife Brise entgegen weht. Das Wetter ist dennoch fantastisch. Unsere Fähre wird nach wie vor (oder wieder?) von zahlreichen Möwen verfolgt. Da wir nichts besseres zu tun haben, bleiben wir oben und beobachten das Einlaufen in den Hafen von Newcastle. Dabei lassen wir uns von zahlreichen Durchsagen berieseln, in denen Werbung für eine Stadtrundfahrt durch Newcastle vorgetragen wird. Nachdem wir angelegt haben, holen wir dann doch unsere Taschen. Und da wir meinen das Schiff besser zu kennen, als das Personal, gehen wir natürlich auf der falschen Seite herunter, wo das Auto nicht steht. Wir finden den Focus trotzdem recht schnell, verladen unsere Sachen und warten darauf, dass es los geht.
Für eine erneute Grenzkontrolle werden alle Fahrzeuge, inklusive Fahrräder und Tandems, aufgereiht und schließlich sind wir aus dem Hafengebiet raus. Direkt angeschlossen befindet sich eine Tourist Information, an der wir anhalten, um Informationen über Standorte der Jugenherbergen und Mountainbikegebiete zu sammeln. Da wir noch in England sind haben wir leider kein Glück, aber der freundliche junge Mann hinter der Ladentheke versichert uns, dass wir die Informationen bekommen, sobald wir in Schottland sind. Gut, dass wir uns im Vorfeld schon ein wenig informiert haben, so wissen wir von den 7 Stanes und steuern das nächstgelegene in Newcastleton an. Trotz Stefans Links-Rechts-Schwäche funktioniert der Linksverkehr hervorragend. Wir gelangen durch einen kleinen Ort mit drei Banken, bei denen wir Geld abholen und da wir noch nicht gefrühstückt haben, kehren wir direkt in der Post-Box ein. Stefan frönt der Food-Fotografie und wir lassen es uns schmecken.
Danach geht es weiter und wir nehmen wieder Kurs auf Newcastleton. Stefan freut sich über die Ralley-Artigen Straßen und die jetzt schon schöne Landschaft, als wir schließlich an die Schottische Grenze kommen. Hier ist allerdings der Bär los. Zahlreiche Busse, Motoräder und Autos stehen herum. Wir machen nur ein paar Fotos von der Landschaft, verzichten aber darauf den Grenzstein oder den Border-Piper mitzunehmen. Natürlich im übertragenen Sinne. Kurze Zeit später erreichen wir auch schon Newcastleton, einen kleinen Ort mitten im Nirgendwo, der nur aus einer langgezogenen Straße zu bestehen scheint. In der Mitte gibt es einen größeren Platz, um den sich scheinbar das ganze Leben in dem Dörfchen abspielt. Dort finden wir auch die Hinweise zu der Bike-Runde. Also ziehen wir uns um, nehmen die Bikes vom Fahrradträger und fahren los.
Direkt macht sich Freude breit - kaum sind wir von der Fähre runter, schon sitzen wir auf dem Bike. Wir fahren über eine Brücke, einen Berg hoch und gelangen über extra angelegte Singletracks, eine eigene Brücke und einem Aufstieg auf den Berg. Alles ist sehr ordentlich und liebevoll angelegt. So etwas würden wir bei uns schon als Abfahrt feiern, aber das sind hier schon die Aufstiege! Wir erreichen einen schönen Aussichtspunkt, an dem wir eine kleine Pause einlegen und das Panorama bestaunen. Hier liegt auch die erste Abfahrt, bei der es über einen schmalen Pfad immer wieder hoch und runter geht. Meistens kann man rollen lassen, allerdings nicht immer, so dass auch dieser Trail recht anstrengend ist. Trotzdem sehr schöne Abschnitte mit kleinen Sprüngen und technischen Einlagen drin. Später kommen wir auch an dem Grenzstein vorbei, der im Prospekt und der Seite schon abgebildet war. Etwas später gelangen wir an ein Waldstück, das so dicht bewachsen, dunkel und grün von Moos und Farn ist, dass wir glauben es könnte jederzeit ein Fabelwesen aus dem Busch springen. Echt Erstaunlich. Nach einer Abfahrt kommen wir schließlich wieder zum Aussichtspunkt, an dem wir vorher schon Pause gemacht haben. Wir nehmen noch eine ganz nette Extra-Schleife unterhalb davon mit und kommen wieder zur selben Stelle, an der ein älterer Mann an uns vorbei fährt. Wir schließen zu ihm auf und quatschen ein wenig mit ihm. Dabei erfahren wir, dass er 73, aus der Nähe von Manchester und scheinbar noch ziemlich fit ist. Hut ab! Wir fahren die Tour zu Ende, auf der uns noch eine schöne Serpentinenabfahrt mit Anliegern erwartet. Insgesamt erinnerte uns die Tour ein wenig an Brilon, allerdings mit weniger Schotter, noch schönerer Landschaft und mehr Single-Trail-Anteil.
Wieder am Auto angekommen überlegen wir, wo wir übernachten können und fahren einfach mal Richtung Ae Forest, der auch Teil von den 7-Stanes ist. In Gretna nehmen wir die falsche Abbiegung im Kreisverkehr und gelangen rein zufällig zu einer Tourist Information an der wir alles bekommen was das Herz begehrt: Karten und Adressen von Jugenderherbergen, Campingplätzen, Detailkarten zu den 7-Stanes und eine Ersatz-Rubina (Highland-Cattle-Stofftier). Daraufhin witzeln wir, dass wir uns öfter verfahren sollten.
Wir ändern nach kurzer Orientierung auf Mabie, wo es ein Youth Hostel gibt. Das Navi versucht uns in einen komplett zugewachsenen Feldweg zu lotsen, was uns dermaßen verunsichert, dass wir beim drehen auf der falschen Straßenseite landen. Ein entgegenkommendes Auto erinnert uns da schnell dran und nach einer kurzen Schrecksekunde ist alles wieder gut. Wir kommen am Parkplatz der 7-Stanes und an einem schön gelegenen Hotel an. Das Mabie Youth-Hostel zu finden gestaltet sich allerdings als nicht ganz einfach, aber ein Einheimischer weist uns den Weg und wir fahren oberhalb vom Hotel über eine Schotterstraße dorthin. Beim Youth Hostel angekommen suchen wir erst einmal den Empfang, finden aber niemanden. Eine redewütiger und freundlicher Schotte namens Steve MacCormack begrüßt uns und als er erfährt, dass wir Deutsche sind donnert er ein “Mein Deutsch ist scheiße!” los und schleift uns zum Herbergsvater. Weil aber an dem Hostel gerade ein Recovery-Camp stattfindet (was auch immer das ist), gibt es leider keine freien Plätze mehr. Also fahren wir wieder und suchen das Hotel auf, wo aber leider ebenfalls nichts für uns frei ist. Die sehr freundliche Dame entschuldigt sich 1.000 Mal und gibt uns den Tipp es im nächsten Ort zu versuchen. Also überlegen wir ein anderes Hostel anzufahren, was in der Nähe liegen soll. Als wir dann durch New Abbey kommen lacht uns allerdings ein B&B dermaßen an, dass wir dort einkehren. Inzwischen ist es ohnehin spät geworden und langsam meldet sich auch der Hunger. Wir bekommen also den Schlüssel, das WLAN-Kennwort, laden die nötigsten Sachen für den nächsten Tag aus, duschen und essen zu Abend. Immer wieder sprechen wir mit ein paar Einheimischen, die in der Bar sind und lassen uns weitere Tipps für unseren Aufenthalt geben. Nach dem Essen drehen wir noch eine kleine Runde durchs Dorf und schauen uns die Ruine eines alten Klosters an, dem das Dorf wohl seinen Namen verdankt. Ich halte noch unseren ersten Tag in Textform fest bevor ich mich schließlich ins Bette begebe.