Zwei Locations an einem Tag

Manche würden sagen, wir sind ambitioniert...

Veröffentlicht am 8. Juni 2015

Um 07:45 Uhr geht Stefans Wecker. Wir bleiben noch etwas liegen und ich döse noch etwas vor mich hin. Die Nacht war zwar erholsamer, ich merke aber, dass meine Beine gestern gearbeitet haben. Wir beschließen spontan noch eine Nacht in New Abbey zu bleiben um Mabie und Ae Forest heute und Dalbeattie morgen abzuklappern. Wir teilen dies dem Hausherrn mit und genießen ein echtes britisches Frühstück mit (für mich vegetarischem) Würstchen und natürlich Baked Beans. Eigentlich heißt es ja die Engländer können nicht gut kochen, für die Schotten scheint das allerdings nicht zuzutreffen, denn das Essen schmeckt sehr gut. Als wir nach dem Frühstück hoch gehen um uns umzuziehen haben wir zwei Schwalben im Zimmer, die fröhlich durch die Gegend segeln. Stefan schafft es irgendwie sie mit den Vorhängen nach draußen zu lotsen. Anschließend ziehen wir uns um und fahren los.

Die Strecke nach Mabie kennen wir bereits durch die Suche nach dem Youth Hostel. Wir wechseln schnell Kleingeld an dem Hotel um die Parkgebühren von 3 Pfund für einen ganzen Tag zu bezahlen, was für diese tollen Strecken ganz vernünftig klingt. Auf geht es mit dem Bike den Berg hoch, ein Stück den Schotterweg entlang, wie am Vortag zum Hostel. Dann führen uns wieder einige Serpentinen hoch auf den Berg, wie wir das schon aus Newcastleton kennen. Auf einer Waldautobahn nähert sich ein Truck von hinten und wir weichen auf den dort praktischerweise beginnenden Singletrail aus, der allerdings weiterhin aus Kletterpassagen besteht. Das nachfolgende Auf und Ab erschwert mir die Gangwahl und ich wechsle ständig zwischen mittlerem und kleinen Kettenblatt. Dazu kommt leider, dass meine Schaltung nicht mehr ganz so super funktioniert. Die Abnutzung der Kette und des mittleren Kettenblatts machen sich bemerkbar, so dass die Kette in den leichten Gängen vom mittleren Blatt immer herunter rutscht. Also heißt es für mich umgewöhnen und mehr auf dem kleinen fahren.

Schließlich gelangen wir zu der ersten richtigen Abfahrt. Das Ding ist absolut klasse und wir kacheln durch schön hohe Anlieger, kleinere Kombinationen mit kleinen Sprüngen und ein paar Doubles. Unten angekommen können wir nicht anders als einfach glücklich zu grinsen, auch wenn ich mir bei einer Bachüberquerung nasse Füße hole. Der nachfolgende lange und steile Aufsteig erfordert dafür wiederum sehr viel meiner Kraftreserven. Auf deren oberem Viertel legen wir eine Pause ein, während wir die phantastische Aussicht genießen. Auch der Rest der Strecke ist sehr schön, es gibt viel Licht- und Schatteneffekte und viel sattes Grün. Leider ist der letzte Teil der Route gesperrt, wahrscheinlich wegen Forstschäden. Also fahren wir statt der empfohlenen Strecke einen Wanderweg, der breiter ist als alle Single-Tracks, aber dennoch viel Spaß macht und mich an die Pfade bei Bensberg (Saaler Mühle) erinnert.

Am Auto angekommen quatschen wir noch mit zwei Locals, die uns auf jeden Fall Ae Forrest empfehlen und diesen als den besten der 7-Stanes herausstellen. Wir sind skeptisch, weil Mabie schon richtig genial war, aber da wir eh nach Ae wollen, spielt unsere Skepsis keine große Rolle. Kurz vor der Abfahrt kontrolliert tatsächlich jemand unser Parkticket. Die gerade angekommenen Locals haben scheinbar noch kein Ticket gezogen - hoffentlich bleiben ihnen die 50 Pfund Strafe erspart.

Wir geben die Adresse von Ae Forest ins Navi und wir sind wieder auf der Straße. Stefan freut sich erneut über die Rally-Fahrt, wir bestaunen gemeinsam die schöne Landschaft bei bestem Wetter. Neben dem Parkplatz von Ae, auf dem praktischerweise unser Tagesticket von Mabie ebenfalls gilt, gibt es einen kleinen Bikeshop und Cafe. Da meine Schaltung zickt frage ich den Menschen im Laden, ob er mal schauen kann. Er attestiert, dass Kette, Kettenblatt und Kassette hin sind und schlägt vor, dass wir eine halbe Stunde bis Stunde im Cafe warten, während er eben die Sachen erneuert. Glücklicherweise eigentlich, da auch der Schaltzug nur noch an einem seiden Faden hängt, so dass er jeden Moment hätte reißen können. Auf dem Trail wäre das nicht so super gekommen. Eine Runde Heißgetränk, einen Brownie und eine ordentliche Portion im WLAN Austoben später, steht er auch schon auf der Matte und erklärt sein Werk für vollendet. Ich danke ihm herzlich, lasse die 105 Pfund auf dem Tisch und Stefans Sonnenbrille auf dem Hocker liegen. Ich bin so happy, dass jetzt endlich wieder alles funktioniert, dass ich die Brille erst nach dem etwas steileren Serpentinen-Aufstieg vermisse. Langsam spüre ich auch deutlich die Kilometer, Uphills, Hügel und Steine der vorherigen Fahrten. Wir sind lange unterwegs ohne einer wirklichen Abfahrt zu begegnen. Dafür aber einigen steileren Anstiegen und kleineren hügeligen Passagen, so dass ich mich frage, was im Vergleich zu den anderen so toll sein soll. Die Antwort: Die geilste(!) Abfahrt, die ich je gefahren bin. Ohne Scheiß. Anlieger, Flow, Stufen, Kicker, Tables, alles dabei und das mit phantastischem Panorama. Wirklich schade, dass Stefans GoPro Akku leer ist und er keine Ersatzakkus dabei hatte… Das Ding ist aber so gut, dass wir überlegen auf dem Rückweg noch einmal dort hinzufahren.

Die anschließende Auffahrt hat es aber wieder in sich, es gibt viele lange Serpentinen und ich bin fast am Ende meiner Kräfte. Stefan gibt auf einmal Gas und liegt ganze drei Serpentinen vor mir. Die Aktion wird dafür mit einem Krampf im Oberschenkel bestraft. Als wir schließlich oben an der Waldautobahn ankommen überlegen wir kurz, ob wir die Escape-Route zurück zum Parkplatz nehmen. Wir rechnen kurz und stellen fest, dass wir ohnehin nur noch knapp 10km auf der roten Route haben und das im Vergleich zu den 5,5km noch im Rahmen liegt. Die Entscheidung sollte belohnt werden, auch wenn es erst nicht so aussieht. Kurz vor Ende der Tour scheint es auf einer Waldautobahn Bergab zu gehen, als sich plötzlich links daneben ein Singletrail auftut. Bei diesem haben die Schotten mal eine richtig schöne Downhill Abfahrt mit fetten Steinen und Sprüngen in den Abhang gezimmert, auf der man richtig Speed bekommt. Unten angekommen feiern Stefan und ich mit einem fetten Grinsen im Gesicht und einer Ghetto-Faust den besten Park bisher. Die Sonnenbrille bekommen wir glücklicherweise auch noch wieder, da der Bike-Schrauber noch da ist. Das Cafe ist aber leider zu, so dass wir den Plan noch etwas zu trinken leider nicht umsetzen können. Beim Einladen fressen uns die Mücken auf, so dass wir schnell alles ins Auto schmeißen und mit offenem Fenster versuchen die Viecher aus dem Auto zu jagen. Meine Beine schmerzen und ich habe Zweifel, ob ich am nächsten Tag biken kann, aber darüber will ich mir erstmal keine Sorgen machen. Nach einer Dusche und einem leckeren Abendessen sieht die Welt schon anders aus.


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