Wolftrax und Peebles

Von Trails, Midges und einer Parade

Veröffentlicht am 19. Juni 2015

Wow, ich bin mal vor Stefan eingeschlafen - da war ich wohl ziemlich müde gestern. Das Frühstück bei der zu braunen Dame ist ausgezeichnet. Am Tisch hinter uns sind zwei Deutsche, scheinbar Vater und Tochter, wobei er kein Englisch kann und sie ihm alles übersetzen muss. Wir räumen unser Zimmer und die Frau des Hauses bemuttert uns ein wenig (Passt auf, die Straßen sind schlecht). Wir versichern ihr, dass wir das hinbekommen.

Wie geplant fahren wir zu den Laggan Wolftrax, wobei ich zunächst die falsche Adresse von der Zentrale in Inverness rausgebe, was wir aber schnell bemerken. Wir korrigieren auf Laggan, da wir keine PLZ haben und biegen in die richtige Richtung ab. Der Park ist gut ausgeschildert und führt uns direkt zum Parkplatz. Das Gebäude sieht schon mal gut aus. Also, wie immer, holen wir die Bikes vom Auto, ziehen uns um und machen uns auf die Socken, äh, Stollen. Wir quatschen mit ein paar Locals und fragen wie schwer die schwarze ist - sie sagen, dass sie ziemlich extrem ist, die rote aber zu langweilig. Wir fahren zunächst den Berg hoch und auf den ersten paar Metern habe ich schon das Gefühl, dass es für mich kein guter Tag fürs Biken wird. Meine Beine tun weh und ich mühe mich etwas ab. Ich philosophiere über meine Pedaliertechnik und wie ich sie verbessern könnte. Schließlich kommen wir an zwei Holz-LKW vorbei, die gerade Baumstämme aufladen. Die Arbeiter winken uns durch und wir gelangen an einen kleinen Platz von dem in alle Richtungen Pfeile wegführen. Zum Glück kommen gerade die zwei Locals vorbei, so dass sie uns den Weg weisen können. Wir entscheiden zunächst die “Lower Red” zu fahren und steigen direkt ein. Insgesamt ist dieser Trail gerade mal 2km lang (wenn überhaupt), aber am Ende gibt es eine große Steinplatte (schwarze Alternative), die fast so beeindruckend wie “The Slab” in Dalbeattie ist. Ich zögere erst ob ich mich traue dort hinunter zu fahren und in einem Moment schaffe ich es mein Gehirn auszuschalten und vorsichtig runter zu rollen. Das Ding ist steil! Mein Hinterrad blockiert sofort, aber ich komme kontrolliert unten an. Leider entweicht dafür sämtliche Luft aus meinem Hinterrad. Also den Esel auf den Kopf stellen, Hinterrad ausbauen und von Midges auffressen lassen. Zum Glück hat Stefan dieses Smidge Spray dabei, was die Midges etwas abhält. Während ich das Rad aufpumpe fährt Stefan noch eine Runde, damit ich Fotos von ihm machen kann. Die Midges nerven trotz Spray noch gewaltig und das Aufpumpen von fast 2 Bar mit der kleinen Pumpe ist ziemlich anstrengend. So bin ich noch nicht fertig, als Stefan in Position fürs Fotoshooting geht. Als ich wieder abfahrbereit bin kommt es mir die ganze Zeit so vor als würde ich noch Luft verlieren und ich habe zu wenig Luft drin. Aber alles ist gut, dieseauf Illusion habe ich öfter.

Wir zweigen auf die upper Red ab, die schon einen recht technischen Uphill darstellt. Am höchsten Punkt angekommen teilen sich die rote und schwarze Route. Ich erinnere mich daran, dass ich eine Tochter habe, die mich vermutlich noch braucht und so besinne mich doch lieber die rote Strecke weiter zu fahren, auch wenn sie den Locals zu langweilig ist. Mir nicht. Anfangs gibt es noch ein paar dicke Steine und Stufen, dann wird es flowig. Bei einer Abzweigung bin ich mir nicht sicher, wo ich her muss, also fahre ich zunächst geradeaus, um dann festzustellen, dass der andere Weg über einen großen Felsen vermutlich interessanter gewesen wäre. In sehr langgezogenen Serpentinen mit leichten Kurven und ein paar Kickern windet sich der Trail zunächst den Berg hinab, bevor relativ unerwartet wieder ein paar Steinstufen auftauchen. Weiter geht es über lange flache Steine und die Wahl zwischen Steinen oder Stufen. Leider sind die 180 Grad Kurven der Serpentinen nicht als Anlieger gebaut, so dass man jedes Mal stark abbremsen muss. An der Stelle, an der die rote und schwarze Line wieder zusammenlaufen wundere ich mich, dass Stefan noch nicht da ist, da mir der rote Pfad sehr lang vor kam. Ich lausche kurz und halte ausschau, denke mir aber, dass er wohl schon weiter gefahren ist. Es folgen ein paar in den Hang hochgezogene Kurven, so dass ich herunter schalten muss. Es folgen ein paar Sprünge und Steinplatten, die den Trail wieder etwas auflockern. Am Ende angekommen wundere ich mich noch mehr, dass auch hier kein Stefan anzutreffen ist, so dass ich beschieße wieder zurück zu schieben, um zu schauen, ob ihm etwas auf der schwarzen Abfahrt zugestoßen ist. Zu meiner Erleichterung taucht er kurze Zeit später dann doch auf.

Wieder unten angekommen muss Stefan erstmal verschnaufen. Er gesteht richtig fertig zu sein, weil der schwarze Trail so krass war. Er fand es geil, versichert mir aber, dass ich keinen Spaß gehabt hätte. Ich glaube ihm und bin froh die rote gefahren zu sein. Ich erzähle ihm von der roten Abfahrt und kann ihn so überzeugen noch einmal hoch zu fahren, zumal ich erst etwa 10km auf dem Garmin habe. Also pedalieren wir wieder gemütlich hoch und Stefan scheint wirklich etwas mitgenommen zu sein - er verlangt nach einer Pause! Nichts desto trotz fährt er mir wieder beim Uphill davon, weil ich mal wieder an ein paar Stellen hängen bleibe oder mit dem Hinterrad wegrutsche. Schließlich gelangen wir wieder an den höchsten Punkt, an dem die Abfahrt beginnt. Stefan legt noch einen frischen GoPro Akku rein, dann geht es los. Er gibt ein ordentliches Tempo vor, so dass ich es nicht schaffe an ihm dran zu bleiben. Dieses Mal nehme ich auch die Steinplatte mit, die ich beim ersten Mal verpasst habe und wähle prompt die falsche Linie, weil ich zu tief herauskomme. Ich denke an Stefans Worte, dass es Sinn macht unbekannte Stellen so hoch wie möglich anzufahren und gebe ihm Recht. Am Ende des Trails wartet ein grinsender Stefan, der ganz offensichtlich sehr viel Spaß auf dem Trail hatte. Worte wie “Hammer”, “Geil”, “ich habe alles gegeben”, “sorry, dass ich nicht gewartet habe, aber ich konnte einfach nicht” schwirren an mir vorbei. Da wir immer noch nicht so richtig viele Kilometer auf der Uhr und nicht alles gesehen haben, fahren wir wieder hoch zu dem Platz, an dem sich alle Wege teilen. Dieses Mal allerdings um über den orangenen Trail zurück zur Station zu gelangen. Wir haben etwas Respekt, da Orange eigentlich für “extreme” steht, also die höchste Schwierigkeit, die es in der schottischen Bike-Einteilung gibt. Ich habe aber unten an einer Tafel gelesen, dass sie nur deshalb orange ist, weil man mit genug Speed ordentlich Airtime sammeln kann. Also steigen wir ein und kommen auf eine glatte flowige Freeride-Abfahrt mit hohen Anliegern und vielen Tables, die richtig Spaß machen. Wir schlängeln uns den Berg hinhab und feiern den Trail. Eigentlich hätten wir das nochmal fahren sollen, aber wir machen Feierabend, stellen unsere Bikes ab und essen erst einmal jeweils einen Burger und erfrischen uns an gekühlten Getränken. Nachdem wir unsere Bikes wieder auf dem Träger haben nehmen wir auch die Dusche in Anspruch, die genau 5 Minuten (ich habe gezählt, Stefan war zuerst) Wasser spendet. Danach ziehen wir uns noch einen leckeren Schokoladenkuchen rein und machen uns auf den Weg nach Peebles im Süden von Schottland, in dessen Nähe die 7Stanes Parks Glentress und Innerleithen liegen.

Bei der Suche nach einem B&B in der Nähe stellen wir zunächst fest, dass heute in Peebles selber irgend etwas los sein muss, da überall Absperrungen und Parkverbotsschilder stehen und an fast jedem Haus Girlanden hängen. Wir suchen weiter, finden nichts und beim Nachfragen wird uns der Tipp gegeben das alte Glentress Hotel aufzusuchen, da dies direkt an dem MTB-Park liegt und wohl vernünftige Preise ausruft. Wir fahren hin und dort angekommen nimmt uns ein kleiner, fröhlicher Franzose in Empfang, zeigt uns die Zimmer und den Bike-Schuppen und quatscht unentwegt. Zwar ist die Unterkunft nicht so gehoben, wie wir es von den normalen B&Bs gewohnt sind und Frühstück ist auch nicht inklusive, aber es liegt wirklich direkt am Park und der Franzose versichert uns, dass er uns nicht verhungern lassen wird. Was auch immer das heißen mag. Dann gibt er uns noch den Tipp, dass wir uns heute auf jeden Fall in Peebles die Parade anschauen sollen, was wir ohnehin vor haben.

Zurück in Peebles merken wir schon, dass sich die Straßen langsam füllen. Wir haben Glück, wir kommen noch durch den Ort durch, bevor hinter uns die Straße abgeriegelt wird. Auch einen Parkplatz finden wir noch. Überall laufen kostümierte Leute herum, einige Pipebands scheint es auch zu geben und insgesamt herrscht eine ausgelassene Stimmung. Wir gehen hoch ins Zentrum, wo wir uns an einem Schnellimbiss noch etwas zu essen holen. Ich nehme eine mittlere Champignon-Pizza in 12”, da ich denke, dass die bestimmt dünn sein wird bei dem Preis. Von wegen, sie erinnert mich an eine Pan-Pizza von Pizza-Hut, nur dicker belegt und mit 30cm im Durchmesser. Während ich mit der Pizza kämpfe beobachten wir das Treiben auf der Straße. Eine lustige Mischung aus Kindern und Besoffenen wandert an uns vorbei und eine Straßenverkäuferin macht mit automatischen Luftblasenpistolen den Umsatz ihres Lebens. Auf der anderen Straßenseite führen Männer alberne Tänze unter dem Motto “Highschool Musical” vor. Es gibt einen Toy-Story-Tanz, einen Alladin, etwas nicht identifizierbares und Marry-Poppins. Scham kennen die Schotten hier scheinbar nicht. Kurz darauf geht auch die Parade los. Minions, Vögel, Pipebands, Kindergarten-Ritter auf einem Wagen (mit dem genialen Spruch “The knights are getting shorter”) und viele andere teilweise richtig schräge Dinge ziehen an uns vorbei. So schnell wie das ganze angefangen hat ist es auch wieder vorbei und die Menschenmenge löst sich auf. Wir holen uns in einem Pub noch schnell ein Getränk und pilgern Richtung Park, auf dem sich eine Kirmes angesiedelt hat. Wir bestaunen die Wohnwagen der Schausteller, beobachten, wie Leuten in den Fahrgeschäften schlecht wird, ziehen uns jeweils zwei kleine Donuts rein und beschließen wieder zurück zum Hotel zu fahren. Insgesamt ein klasse Erlebnis! Der Rest des Abends verläuft wie immer ruhig, mit GoPro Videos vom Tag sichten, Bericht schreiben und lesen.


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