Kirroughtree und MacMoab

Ich wünschte ich wäre ein Trial-Biker...

Veröffentlicht am 10. Juni 2015

Um 08:15 Uhr klingelt zwar der Wecker, aber wir bleiben einfach liegen und verpennen infolgedessen, so dass wir erst um 09:10 aufstehen. Trotzdem schaffen wir es 5 Minuten später im Frühstücksraum zu sitzen. Der Eindruck von gestern bestätigt sich - alles ist super sauber, ordentlich und etwas altmodisch dekoriert. Im Frühstücksraum läuft zudem Opernmusik - etwas seltsam, aber okay. Di begrüßt uns, fragt uns ob wir Tee haben wollen und verschwindet in der Küche. Etwas später kommt sie mit dem am Vortag bestellten warmen Frühstück wieder aus der Tür. Natürlich schmeckt es super. Nach dem Essen gehen wir aufs Zimmer, packen unsere Sachen und lernen bei der Verabschiedung auch noch den Hausherrn kennen, dessen Namen ich aber vergessen habe. Praktischerweise kann er uns aber noch den Weg in Richtung Kirroughtree weisen.

Der Weg zu unserem Zielort ist nicht sehr weit und führt uns die Straße zurück, über die wir gestern nach Newton Stewart gefahren sind. Scheinbar haben wir die Beschilderung übersehen. Nachdem wir auf einen Schotterweg abgebogen sind gelangen wir bereits kurze Zeit später auf einen ziemlich großen Parkplatz, neben dem eine schnieke Hütte in den Wald gedengelt wurde - nur für Mountainbiker! Ok, vielleicht auch für Wanderer, aber der Bikeshop und die Duschen nebenan deuten schon recht eindeutig auf die favorisierte Zielgruppe hin.

Also holen wir die Fahrräder vom Auto und ich versuche meine Schaltung einzustellen, die seit gestern wieder etwas nachgelassen hat. Stefan erträgt es mit Geduld. Die rote Strecke geht schön los. Anstatt die Biker einfach die Waldautobahnen hochpedalieren zu lassen haben die Erbauer dieses Spots immer wieder Abzweigungen mit kleinen Trails geformt, die zwar wiederum auf Waldautobahnen enden, insgesamt aber trotzdem etwas interessanter zu befahren sind. Wir sammeln schnell 130 Höhenmeter ohne es richtig gemerkt zu haben. Die Sonne knallt ganz ordentlich, so dass wir es bereuen uns nicht vorher per Sonnencreme davor geschützt zu haben. Die Trails sind eine Mischung aus Dalbeattie und Mabie - nicht ganz so viele Stufen drin, aber sie sind durchaus vorhanden. Stellenweise ist es auch schön flowig, so dass wir hinunter in ein Tal radeln.

Nach dieser Abfahrt stellen wir fest, dass wir schon an der Abzweigung zur schwarzen Route angekommen sind. Da bisher kaum Zeit vergangen ist und ich trotz den Anstrengungen des Vortags noch ein wenig Kraft in den Beinen spüre (und mich gerne überschätze, wenn ich dann mal auf dem Bike sitze), beschließen wir die schwarze Route zu versuchen. Zur Not gibt es auch noch einen Short-Cut, falls es doch zu viel wird. Die Entscheidung wird direkt belohnt, denn wir finden einen Fluss mit einem schönen kleinen Wasserfall. Wir klettern auf die Steine in dem Fluss, legen eine kleine Foto Session und kühlen uns etwas mit Hilfe des Wassers ab. Den Short-Cut der schwarzen Route erreichen wir direkt nach dem ersten Anstieg (The Judgement), so dass ich wieder mit der Entscheidung konfrontiert werde abzukürzen oder doch komplette lange Route zu fahren. Deutlich unsicherer als vorher entscheide ich aber auch dieses Mal wieder die volle Packung mitzunehmen und auch dieses Mal werde ich für meine Selbstüberschätzung belohnt: ein langer Anstieg raubt mir eine Menge Kraft, entschädigt aber mit grandiosem Panorama direkt unterhalb eines hohen Berges. Das Beste jedoch erwartet uns oben: MacMoab! MacMoab ist eine Gesteinsformation, die komplett “fahrbar” ist - das bedeutet, dass jemand blaue Pfeile auf die dicken Felsen gepinselt hat, wo man langfahren soll. Technisch gestaltet sich das als extrem anspruchsvoll, was mich zu dem Untertitel des heutigen Tages inspiriert. Bei der Hitze in der prallen Sonne raubt diese Aktion sehr viel Kraft, zieht unsere Durchschnittsgeschwindigkeit extrem nach unten, aber trotzdem - extrem geil das Ganze. Wo kann man bitte so etwas nochmal erleben? Der Abschluss dieser Passage endet mit einem riesigen Fels, von dem wir vorsichtig herunter rollen und bei dem spektakuläre Fotos entstehen. Wir sind richtig happy - irgendwann muss ich da nochmal hin.

Wir kämpfen uns ziemlich entkräftet den Berg weiter hoch und nach einer weiteren Abfahrt gelangen wir an eine Straße, die es zu überqueren gilt. Allerdings ist die eigentliche Strecke wegen Holzarbeiten gesperrt. Ein Arbeiter, der nur herum steht und auf den Verkehr aufpassen soll, teilt uns mit, dass wir uns an die “Diversion” Beschilderung halten sollen. Gesagt getan, also rollen wir auf der Straße den Berg runter, was mir gar nicht zusagt, da ich langsam doch ziemlich fertig bin. Praktischerweise ist die Diversion auch gesperrt… Wir überlegen kurz was wir machen, weil auch an einem Pfad daneben steht, dass dieser ebenfalls nicht begehbar ist. Stefan überredet mich es trotzdem zu versuchen und so schieben wir den sehr steilen Berg hoch. Schon ohne Fahrrad wäre es fordernd gewesen, aber so ist es einfach unfassbar hart. Oben angekommen genießen wir die Aussicht und einen Riegel, während wir auf zwei Wanderer warten, die sich auf der anderen Seite ebenfalls den Berg hoch kämpfen. Wir rollen über den Wanderweg wieder hinunter, entlang an einem Bach, durch eine alte Hausruine, von der nur noch der Grundriss in Form von Steinmauern übrig ist. Nach einige Kilometern Waldautobahn finden wir irgendwann die schwarze Route wieder. Danach kann ich mich an kaum etwas erinnern, da ich mittlerweile so platt bin, dass mein einziger Gedanke “Ankommen!” ist. Es gibt noch ein paar schön geshapte Abfahrten mit schönen Stufen. Die Stufen gibt es aber auch in den Uphills, die den letzten Saft aus meinen Beinen ziehen. Als wir schließlich Pause machen wollen werden wir dermaßen von Midges attakiert, dass wir diese canceln müssen. Schließlich läuft die schwarze Route wieder mit der roten zusammen und wir begegnen zwei weiteren einheimischen Bikern, mit denen wir ein wenig quatschen. Wir fahren weiter und ich wünsche mir das Ende der Tour immer sehnlicher herbei. Nach ein paar weiteren quälenden Anstiegen und neuen Streckenabschnitten mit tollen Sprüngen (wenn ich nicht so platt wäre…) erreichen wir auch endlich das Cafe. Wir füllen unsere Energie mit Kaltgetränken und Kuchen wieder auf. Die Angestellte des Cafes, die ein wenig Deutsch spricht und scheinbar auch biked, gibt uns noch ein paar Tipps. Nach dem wir die Bikes verstaut habe schnappen wir uns frische Klamotten und alles was man so zum Duschen braucht. Angeworfen wird die Dusche über Coins, so dass Stefan noch einmal lospilgert um diese zu organisieren. Und mal wieder gilt: Dusche ist Gott! Meine will gar nicht mehr aufhören und so komme ich fast mit einem einzigen Coin aus.

Inzwischen ist die Uhrzeit doch schon recht weit fortgeschritten und wir stellen fest, dass wir die weite Reise nach Fort William gar nicht mehr schaffen. Also beschließen wir die nächst beste Jugendherberge nördlich von Glasgow anzusteuern. Ich rufe an und zum Glück ist noch etwas frei. Nach etwa drei Stunden Fahrt kommen wir schließlich am berühmten Loch Lomond an. Wir checken ein und stellen fest, dass die Lobhudelei der Lieder über diesen See und seine Umgebung nicht übertrieben sind. Es ist einfach super geil dort. Natur pur, jede Menge Wasser, schöne grüne Bäume und Berge rings herum. Einfach schön. Nachdem wir im 10 Meilen entfernten Nachbarort noch eine Pizza verdrücken, ziehen wir uns aufs Zimmer zurück und versuchen zu schlafen. Da mein Bett stark quietscht traue ich mich fast nicht zu bewegen aus der (unnötigen) Angst Stefan vom Schlafen abzuhalten oder aufzuwecken. Zu allem Überfluss schmerzen meine Beine und die Mückenstiche darauf dermaßen, dass ich mal wieder fast nicht schlafen kann…


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